Amorgos

Amorgos - (m)eine Kykladeninsel

Mein erster Besuch Anfang der 90er Jahre auf Amorgos war ein Versehen.

Ich war auf meiner ersten "Inselhoppingtour" über die Kykladen.
Nachdem ich vorher schon Rhodos und Samos besucht hatte und unwiderruflicher Griechenlandfan geworden war, mußte ich einfach endlich einmal auf eine Reise ohne konkretes Ziel gehen. Freilich hatte ich einen Plan im Kopf. Ein Flug nach Samos - dann von da aus rüber auf die Kykladen. Paros war mein erstes Ziel und von dort aus sollte es weiter gehen auf DIE Vulkaninsel: Santorini. Also kaufte ich mir nach drei Tagen auf Paros ein Ticket für den Paros-Express nach Santorini. Abfahrtszeit: 10:30. Um 10 war ich am Hafen. Die Fähre war für griechische Verhältnisse sogar ungewöhnlich pünklich - soll heißen: weniger als zwei Stunden Verspätung. Ich stieg ein - gab meinen Ticketdurchschlag ab und die Fähre legte ab.
Kurz darauf lief der Zahlmeister an Deck herum und suchte nach einem Passagier mit einem Ticket nach Santorini. "Ehm... yes...it's me...".
"Wir fahren nach Santorini ... und zwar MORGEN!"
Ups... ich hatte mich im Tag vertan... - okay ... wo geht's heute hin?
AMORGOS!
"Okay... dann fahre ich jetzt nach Amorgos...". Ich musste noch 100 Drachmen (ca. 30 cent) nachzahlen und kam Stunden später in Katapola an.
Nachdem ich vor den am Hafen wartenden Zimmeranbieterinnen geflüchtet war schaute ich zunächst einmal, wielange mein Zwangsaufenthalt dauern sollte und stellte fest - daß es eine Woche lang überhaupt keine Fähre mehr gab. Die auf Amorgos beheimatete "Scopelitis" stand gerade aus unerfindlichen Gründen nicht zum Einsatz bereit und die nächste große Fähre war die mit der ich gekommen war - eben nur eine Woche später.

Ich wanderte mit meinem Rucksack um die Bucht bis ich an der letzten Taverne (bei Urania) angekommen war.
Sie hatte nicht nur "Retsina from Barrel" - sondern auch einige Zimmer am Hang oberhalb ihrer Taverne, wo ich meine Bleibe fand:
Ein Zimmer mit einer Terrasse mit traumhaft schönem Blick auf die Bucht von Katapola.

Am ersten Tag auf der Insel wanderte ich hoch zur Chora - und fand ein wunderschönes Dorf mit engen malerischen Gassen. Mit fiel auf, daß es außer ein paar wenigen Mopeds, ein paar Jeeps und einem einzigen Bus, der zwischen Katapola, Chora und Agia Anna verkehrte keinerlei Verkehr auf dieser Insel gab. Und es gab nur wenige Touristen, was ich auf das Fehlen von geeigneten Stränden zurückführte. Aber faul am Strand liegen wollte ich ja ohnehin nicht. Die Insel strahlte eine unglaubliche Ruhe aus.

Als ich im oberen Teil der Chora angelangt war, sah ich einige verfallene Windmühlen an einem Berghang. Das Bild erinnerte mich an irgendetwas, was ich schon einmal gesehen hatte. Ich wußte nur nicht wo. Überhaupt kam mir so einiges bekannt vor. Ein seltsames Deja Vu.
Ich wanderte dann zu den Windmühlen und von dort den Steilhang hinunter Richtung Agia Anna - einem der wenigen Strände der Insel.

Auf dem Weg entdeckte ich das beeindruckendste Bauwerk, das ich bis dahin auf den Kykladen gesehen hatte: das Kloster Chozoviotissa. In diesem Moment fiel mir ein, wieso mir vieles hier so bekannt vorkam: "Im Rausch der Tiefe" - ein Film von Luc Besson. Ich liebte diesen Film und hatte ihn in meinem Lieblingskino in Berlin schon mehr als zehnmal gesehen. Viele Szenen waren genau hier gedreht worden. Der Film heißt im Original: "Le Grand Bleu" bzw. "The Big Blue". Und als nun am Kloster in der Steilwand stand und ins Meer hinunterblickte, verstand ich auch warum. Ich hatte noch nie in ein so unendliches Blau geblickt.

Ich miete mir ein altersschwaches Moped bei Thomas Rent in Katapola um die Insel ein wenig zu erkunden. Nach Ormos Aegiali zu fahren war damals noch nicht möglich. Da gab es nur einen Eselspfad oder den Seeweg. Die andere Richtung war aber möglich. Auf staubigen Pisten fuhr ich bis zum äußersten Inselende im Südwesten. Dort ragte der Mast eines Schiffswracks aus einer Bucht hoch. Das Wrack der Olympia. Noch ein Motiv aus "The Big Blue".

Nach bereits einbem Tag war ich so fasziniert von der Insel - ihrer Ruhe - dem unglaublichen Geruch von Thymian und dem unendlichen Blau des Meeres.

Die Woche verging wie im Flug - und ich schwor mir wiederzukommen.

Ich hielt das Versprechen. Die folgenden Jahre kam ich immer wieder - und hatte immer das Glück, mit größeren Fähren anreisen zu können. Über die auf Amorgos beheimatete Skopelitis hatte ich von verschiedenen Kykladenreisenden diverse Horrorgeschichten gehört. Angeblich sollte das Schiff gar nicht hochseetauglich sein, sondern nur für Binnengewässer. Alles vermutlich nur böse Gerüchte - aber solange es Alternativen gab...
Nur einmal passierte es: Ich kam gerade auf Naxos an und die Fähre nach Amorgos verließ gerade den Hafen als ich einfuhr. Okay... ein Zwangsaufenthalt auf Naxos. Auch nett - aber eben nicht Amorgos. Ich fragte am Hafen nach, wann die nächste Fähre geht und war erfreut, als die nette Dame am Ticketschalter meinte: "Oh Sie haben Glück - heute nachmittag gibt es noch ein Schiff" und zog den Ticketblock der Skopelitis hervor. Zum Glück war die See an diesem Tag besonders ruhig, so daß ich trotz mangelnder Seefestigkeit keinerlei Probleme hatte.
Ein Jahr später wurde die alte Skopelitis durch die neue "Express Skopelitis" ersetzt.

Auch sonst hat sich im Laufe von 15 Jahren viel getan: Zwischen Chora und Ormos Aegiali wurde eine Straße gebaut und viele der alten Staubpisten wurden mit fianzieller Hilfe der EU geteert. Es gibt mehrere Busse und leider auch deutlich mehr Verkehr. Aber abseits der wenigen Straßen herrscht immer noch die unglaubliche Ruhe, die ich bei meinem ersten Besuch empfunden hatte.